Freitag, 29. Januar 2016

Abwehrmechanismus: Projektion

Projektion (mittleres bis geringes Integrationsniveau)


Quelle: Boessmann, Remmers, 2016: Praktischer Leitfaden der tiefenpsychologisch fundierten  Richtlinientherapie - Wissenschaftliche Grundlagen, Psychodynamische Grundbegriffe, Diagnostik und Therapietechniken, Deutscher Psychologen Verlag, Berlin

Bei der Projektion werden eigene Wünsche, Impulse, Gedanken und Gefühle anderen unterstellt. Während "bei der Verdrängung die beanstandete Vorstellung ins Es zurückgewiesen wird, verlegt die Projektion sie statt dessen in die Außenwelt".[10] Im Matthäus-Evangelium (7, 3) heißt es:"Was siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, und den Balken im eigenen Auge siehst du nicht." Generell sind Eigenschaften und Verhaltensweisen, die uns an anderen besonders stark aufregen, verdächtig, auf einen eigenen unbewussten Persönlichkeitsaspekt (bei Carl Gustav Jung der "Schatten") hinzuweisen. Im Alltag begegnen wir dem Abwehrmechanismus der Projektion wohl am häufigsten im Straßenverkehr. Das Verkehrsverhalten anderer wird als feindselig, rücksichtslos und aggressiv erlebt; die eigene Aggressivität wird übersehen.

Funktion: Der Mechanismus der Projektion ist häufig und ein wichtiges Abwehrarrangement gegen das schmerzvolle Bewusstwerden eigener Schwächen und Fehler sowie eigener Feindseligkeit und Schuld. Klinisch zeigt sich die Projektion als bevorzugter Abwehrmechanismus bei der paranoiden Neurosendisposition. Patienten mit diesem Persönlichkeitsstil suchen oft insgeheim in der TherapeutIn eine Verbündete gegen den Rest der Welt, der als feindselig erlebt wird. Bei Psychosen und Borderline-Störungen ist eine Form von Projektion zu beobachten, die in besonders realitätsverzerrender Weise das Böse, das heißt die abgespaltenen negativen, zum Selbst gewordenen Introjekte, nach außen verlagert (siehe auch projektive Identifizierung).

DysfunktionalitätMit projektiver Abwehr kann sich das Selbst vorübergehend entlasten, aber nur um den Preis von z. T. schwerwiegenden Beziehungsstörungen und einer Einbuße an Realitätsprüfung. Als kollektives Phänomen manifestiert sich die Projektion in Fremdenhass und Nationalismus, die nicht selten in kriegerische Gewalt und sogar in Völkermord münden. 



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