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Abwehrmechanismen und ihre Funktion |
Abwehrmechanismen und ihre Funktion
Quelle: Boessmann, Remmers, 2016: Praktischer Leitfaden der tiefenpsychologisch
fundierten Richtlinientherapie - Wissenschaftliche Grundlagen, Psychodynamische Grundbegriffe, Diagnostik und Therapietechniken, Deutscher Psychologen Verlag, Berlin
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Nach Anna Freud dringen Triebregungen immer wieder aus dem Es in das Ich vor und führen zu Konflikten. Denn "die Triebregungen können nicht ohne weiteres auf Lusterwerb ausgehen, man verlangt von ihnen Rücksichtnahme auf die Forderungen der Realität und noch mehr als das: Rücksichtnahme auf ethische und moralische Gesetze, die vom Über-Ich aus das Verhalten des Ich bestimmen wollen". Diese "feindlichen Einfälle ins Ich" müssten "durch Abwehrmaßnahmen des Ich" in eine Kompromisslösung zwischen den Instanzen überführt werden. Anna Freud unterschied zwischen Abwehr nach innen und Abwehr nach außen[1]:
Abwehr nach innen
|
Abwehr nach außen
|
Verdrängung
|
Verleugnung
|
Reaktionsbildung
|
Fantasie vom
Gegenteil
|
Hemmung
|
Ich-Einschränkung
|
Intellektualisierung
|
Wachsamkeit
|
Generell zeichnen
sich die Abwehrmechanismen dadurch aus, dass sie unbewusst ablaufen und
mittels Selbsttäuschung der Vermeidung oder Verminderung von Angst
dienen. Angst entsteht u. a., wenn die Befriedigung grundlegender Bedürfnisse oder Antriebe bedroht oder behindert ist. In den ersten
Lebensjahren können wichtige Bedürfnisse des Kindes z. B. durch einen Erziehungsstil der Eltern gefährdet sein, der dem Kind allzu
früh und rigoros die Erfüllung bestimmter soziokultureller Anforderungen
abverlangt. Ein anderes Beispiel wäre ein Kind, dessen Bedürfnisse nach
sicherer Bindung und empathischer Spiegelung seine depressive Mutter nicht
erfüllen kann. Der Konflikt zwischen den kindlichen Wünschen/Impulsen und den
Anforderungen oder Versagungen der Umwelt ist zunächst ein äußerer. Er wird
aber, wenn er ungelöst bleibt, verinnerlicht. Verinnerlicht werden auch die
negativen Affekte wie Angst, Wut, Scham und Schuldgefühle, die mit dem
Konflikt verbunden sind. Eine mögliche unbewusste Notlösung der kindlichen Seele besteht darin,
die Trieb- oder Bedürfnisregung mitsamt der dazugehörenden Angst und der
anderen negativen Affekte aus dem Bewusstsein zu verdrängen. Die
Abwehrmechanismen stellen die Integrität und Funktionsfähigkeit des Ich, die durch ein zu
hohes Angstniveau bedroht wären, sicher und gewährleisten so die weitere
Persönlichkeitsentwicklung in den konfliktfreien Bereichen.
Wenn Eltern infolge
eigener Defizite, Überforderung oder Krankheit unfähig sind, die Bedürfnisse ihres Kindes wahrzunehmen, empathisch zu
spiegeln und mit dem Kind emotional in angemessener
Weise zu kommunizieren, wird es für das Kind schwer oder unmöglich, jene
grundlegenden (strukturellen) Selbststeuerungs- und Interaktionsfähigkeiten zu erwerben, die es für die spätere Bewältigung
alltäglicher Anforderungen des Lebens benötigt. Das Kind ist dann nicht nur dem
Konflikt zwischen seinen kindlichen Antrieben und den soziokulturellen Anforderungen seiner
Familie ausgesetzt, sondern wird früher oder später auch noch mit den
durchschnittlichen sozialen Anforderungen außerhalb seiner Familie, z. B. im
Kindergarten oder in der Schule, überfordert sein. Es wird dadurch häufiger in
Konflikt mit seinem sozialen Umfeld geraten und seltener die Erfahrung machen
können, akzeptiert zu werden, dazuzugehören und selbstwirksam zu sein. Es muss
unter Umständen Mechanismen entwickeln, um diese Defizite zu kompensieren und
sein Selbst zu schützen
Reife und unreife Abwehrmechanismen
Generell tendiert die psychische Abwehr dazu, sich in eine schützende Enge zu flüchten, die eine Illusion von Sicherheit vermittelt. Um Angst zu mindern, neigen wir dazu, uns ein beruhigendes Weltbild zu schaffen, das wir überblicken können und das uns glauben lässt, wir könnten die Wirklichkeit kontrollieren. Es gibt unterschiedliche Qualitäten von Strategien, funktionalere und dysfunktionalere, mit denen wir unsere Illusion von Sicherheit und Kontrollierbarkeit gegen die Unwägbarkeiten und Risiken von außen, v. a. aber auch gegen die Bedrohungen von innen verteidigen. Strukturelle Defizite der Selbststeuerungs- und Interaktionsfähigkeiten machen eine besondere Art von Selbstschutz-, Kompensations- und Abwehrmanövern notwendig. Diese sind für die Betroffenen existenziell, um die Kohärenz ihres Selbst aufrechtzuerhalten und ihr Angstniveau auf einem erträglichen Maß zu halten. In Fällen von gravierenden Mangelerfahrungen, chronischem Missbrauch und schwerer Traumatisierung dient die Abwehr – zulasten der eigenen Antriebe – schließlich nur noch dem Schutz vor der stets drohenden Fragmentierung des Selbst, also dem nackten seelischen Überleben.
Stavroz Mentzos stellte eine Hierarchie von
Abwehrmechanismen auf, die sich von
unreifer bis zu reifer Abwehr erstreckt:
1. Ebene (unreifste
Abwehrmechanismen):
·
psychotische,
wahnbildende Projektion
·
psychotische
Verleugnung
·
Spaltungsvorgänge
·
Introjektion
2. Ebene:
·
nicht psychotische
Projektion
·
Identifikation als Abwehr, Identifikation mit dem Angreifer
3. Ebene
(psychoneurotische Abwehrmechanismen):
·
Intellektualisierung
·
Affektualisierung
·
Rationalisierung
·
Affektisolierung
·
Ungeschehenmachen
·
Reaktionsbildung
·
Verlagerung (Verschiebung)
·
Wendung gegen
das Selbst
·
Verdrängung (im engeren Sinn)
4. Ebene (reifste Abwehrmechanismen): Sublimierung[2]
Psychosoziale Arrangements
Nach Mentzos müssen über die innerpsychische Abwehr hinaus auch psychosoziale Abwehrformen
beachtet werden. Bei psychosozialen "Arrangements" würden unbewusst zwischenmenschliche
Konstellationen hergestellt, die intrapsychische Konflikte nach außen verlegten. Zu
unterscheiden sei zwischen interpersoneller
und institutionalisierter Abwehr. Interpersonelle Abwehr liege z. B. vor,
wenn sich ein Mann immer psychisch labile Frauen als Partnerinnen aussuche,
eine Helferrolle übernehme und sich so selbst
stabilisiere. Umgekehrt könnten die Partnerinnen bei ihm ihre regressiven, infantilen
Abhängigkeitstendenzen befriedigen. Auf diese Weise würden
sich letztlich bei beiden die zugrunde liegenden Konflikte und Spannungen verfestigen.
Mit institutionalisierter Abwehr meint
Mentzos die von Institutionen "angebotenen
Rollen", die "vom einzelnen zum Zwecke der individuellen neurotischen
Abwehr benutzt werden" können.[3] Unter günstigen
Umständen kommt die individuelle Abwehr, z. B. eine übermäßige Regelkonformität
und Kontrollausübung bei einem Menschen mit zwanghaftem Persönlichkeitsstil, einer Institution, z. B. dem Finanzamt, zugute. Das gleiche Verhalten,
das im Familien- oder Freundeskreis vielleicht als störend empfunden wird, wird
vom Vorgesetzten besonders gelobt und verstärkt die Identifikation mit der beruflichen Rolle.
Klicken Sie auf den folgenden Link, um zu den einzelnen Abwehrmechanismen zu gelangen:
alphabetische Übersicht über die Abwehrmechanismen
alphabetische Übersicht über die Abwehrmechanismen
http://archive.org/stream/Freud_Anna_1936_Das_Ich_und_die_Abwehrmechanismen _k#page/n127/mode/2up.
Die hier gegebene, umfangreiche Darstellung der Abwehrreaktionen ist per se zu loben, weil sie dem Leser ermöglicht, Wege der Selbsterkenntnis einzuschlagen, sich sozusagen selbst "hinter die Gardinen" zu schauen. Was andererseits aber völlig fehlt, ist eine Darstellung der gesunden Funktionen des Bewusstseins. Diese bleiben unbeachtet, weil das "Ich" gar nicht ernst genommen wird in seiner Ontogenese auf dem Weg von der unbewussten zur freien Persönlichkeit. Das fängt schon mit dem Begriff "Sublimierung" an: Zwar wird die "Sublimierung" als „reife“ Integration von äußeren Anforderungen klassifiziert. Der Begriff der „Integration“ ist hier sehr angebracht, da dies die Tätigkeit des Ich ist. Aber das Ideal der "Sublimierung" verrät ja als solches schon die Fremdsteuerung des Individuum durch die Ansprüche der Gesellschaft. Nirgendwo wird dargestellt, was das Individuum wirklich will, sondern immer nur, was es soll. Das fängt schon an mit der Darstellung der (zunächst noch) unbewussten Begehren, die dem „Es“ zugeschrieben werden. Wer ist aber dieses „Es“? Ist das ein Tier im Menschen, ist es der Feind der Gesellschaft, ist es der Feind des „Ich“? – Das „Es“ ist in Wahrheit keines von alledem! Das „Es“ ist nichts anderes als das „Ich“ im ontogenetischen Frühzustand, das sich und die Welt noch gar nicht kennt, dem also die eigenen Ziele, Ansprüche und Motive noch völlig unbewusst sind. Und wer ist das „Über-Ich“ der Anna Freud? Das „Über-Ich“ der Anna Freud ist nichts anderes als die psychotische (mithin also nicht oder nur sehr schlecht integrierte) Projektion der freien Persönlichkeit, die damit zur Willkürherrschaft wird! Was ist die freie Persönlichkeit aber wirklich? – Im Bewusstsein der Psychoanalytiker ist es der gar nicht vorhandene, ich würde sagen: Der „wahre“ Mensch, der lebenslang sein Gefühlsleben als Mittel der Selbsterkenntnis, Menschenerkenntnis und der Welterkenntnis entfaltet, indem er das, was er davon begreifen kann, in nützliche, erhebende, erbauende, vielleicht sogar amüsante etc Vorstellungen verwandelt und der seine ihm noch unbewussten Antriebe als einen lebenslang sprudelnden Quell der Erneuerung und Verjüngung betrachtet.
AntwortenLöschenWas also fehlt? – Eine genaue und objektive Beschreibung dessen, was sich bei gesunder Entwicklung der Persönlichkeit zur fortschreitenden Bewusstwerdung dessen führt, das unter der Oberfläche im Menschen aus seelischen Kräften besteht, die ihn zur geistigen Freiheit führen können, wenn Eltern, Pädagogen und Therapeuten sich gemeinsam darüber austauschen und einigen, wie man den dort verborgenen Schatz nicht nur in Liebe bewahrt, sondern auch ganz rationell vermehrt und kunstvoll gestaltet!
"..., wie man den dort verborgenen Schatz nicht nur in Liebe bewahrt, sondern auch ganz rationell vermehrt und kunstvoll gestaltet!"
AntwortenLöschenklingt ziemlich esoterisch-naiv u lässt sich mannigfaltig interpretieren/benutzen - nicht nur politisch in gefährlicher weise.
aber das ist nur mein erster eindruck. lasse mich aber gerne eines besseren belehren.